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AutorenbildIvana D'Addario

Verschwendung von Lebensmitteln durch Mindesthaltbarkeitsdaten

Aktualisiert: 21. Juli

Obschon einwandfrei werden in der EU pro Jahr 80 Tonnen Lebensmittel weggeworfen oder verschwendet, ein Fünftel der gesamten Produktion. In der Schweiz sind es jährlich gar knapp zwei Drittel bzw. 2,8 Millionen Tonnen. Dies entspricht zirka 330 Kilogramm Lebensmittelabfall pro Kopf und Jahr, der definitiv vermeidbar ist. Im Ausland fallen 360'000 von den 2,8 Millionen Tonnen bei der Produktion jener Lebensmittel an, die in die Schweiz importiert werden. In der Schweiz hergestellte Lebensmittel für den Export wiederum schlagen mit zusätzlich vermeidbaren 240'000 Tonnen zu Buche.



Sowohl in der EU als auch in der Schweiz entsteht etwa die Hälfte dieses sogenannten «Food Waste» in privaten Haushalten. Liesse er sich reduzieren, könnten Lebensmittel günstiger sein. Der Landwirtschaft könnte ausserdem der enorme Produktionsdruck genommen werden, was wiederum dem Einsatz von Pestiziden entgegenwirken sowie den CO2-Ausstoss verringern würde. Diese Zahlen und Fakten sind schwindelerregend, vor allem wenn man bedenkt, dass rund 10 Prozent auf die Angabe der Verfalls- und Mindesthaltbarkeitsdaten (MHD) zurückzuführen sind.


Ursprünglich wurde die Mindesthaltbarkeit ins Leben gerufen, um den Konsumenten vor Lebensmittelvergiftungen zu schützen oder andersrum, für Lebensmittelsicherheit zu sorgen. Doch mittlerweile hat sich herausgestellt, dass mit ihrer Einführung ein grösseres Problem erschaffen als zu beheben geschafft wurde, nämlich dem modernen Konsumenten westlicher Industrienationen eine bessere Orientierung zu ermöglichen. Stattdessen ist er heute verwirrter denn je. Hinzu kommt sein schwindendes oder fehlendes Wissen zum Umgang mit Lebensmitteln sowie zu deren sachgemässer Lagerung.


Besonders interessant: Das Mindesthaltbarkeitsdatum verstehen je nach EU-Land «lediglich» 12 bis 68 Prozent der Bürger korrekt. Die Botschaft des Verbrauchsdatums hingegen verstehen 71 Prozent der Griechen, aber nur 13 Prozent der Deutschen richtig.


Kein Ablauf

Für viele unverpackte Lebensmittel wie frisches Obst und Gemüse ist kein Ablaufdatum vorgesehen, genauso wenig für besonders lang haltbare Lebensmittel wie beispielsweise Salz, Zucker, Nudeln, Reis, Kaffee, Tee, Wein oder Brot. Unterschieden wird daher zwischen frischen und verpackten Lebensmitteln. Lebensmittel, die leicht verderben, benötigen die Angabe eines Verbrauchsdatums, das kennzeichnet, bis zu welchem Tag das Produkt noch konsumiert werden kann. Hierunter fallen zum Beispiel Fisch, Fleisch, Eier oder geschnittene Salate. Das Verfallsdatum ist unbedingt ernst zu nehmen, weil der Verzehr danach krank machen kann. Sobald das Verfallsdatum also überschritten ist, dürfen diese Lebensmittel auch nicht mehr verkauft werden. In der Regel wird dieses Datum mit dem Wortlaut «zu verbrauchen bis» angegeben.


Fragliches Mindesthaltbarkeitsdatum

Beim Mindesthaltbarkeitsdatum ist es anders: Die meisten Lebensmittel tragen ein solches Datum, bis zu dem der Hersteller garantiert, dass die Ware bei richtiger Aufbewahrung ihre Eigenschaften und Qualität behält. Das Mindesthaltbarkeitsdatum regelt daher lediglich die Haftungsansprüche der Hersteller und bedeutet nicht, dass das Lebensmittel nach Ablauf nicht mehr geniessbar wäre. Denn sehr oft ist es unproblematisch, Lebensmittel über das MHD hinaus zu essen, weshalb sie auch weiterhin verkauft werden dürfen, sofern sie korrekt verpackt sind und ordnungsgemäss gelagert wurden – was mit unseren Sinnen übrigens nicht schwierig zu überprüfen ist. Es kommt folglich eher darauf an, ob das Produkt noch frisch aussieht und gut riecht. Deshalb machen sich die globalen Lebensmittelhändler in der EU seit 2017 für die Abschaffung des Mindesthaltbarkeitsdatums stark. Folgender Vorschlag stellt die EU-Kommission zur Diskussion: Das Mindesthaltbarkeitsdatum soll auf lang haltbaren Produkten abgeschafft werden.


Auch in der Schweiz hat der Nationalrat am 5. März 2019 das Ende September 2018 von Nationalrätin Isabelle Chevalley eingereichte Postulat «Chevalley» 18.3829 für einen Aktionsplan gegen die Lebensmittelverschwendung gutgeheissen, um das Ziel zu erreichen, den Food Waste bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren. Hinter diesem Postulat steckt wiederum das 2015 definierte Ziel 12.3 der Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung der UNO, das verlangt, die Nahrungsmittelverschwendung pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene bis eben 2030 im Vergleich zu 2017 zu halbieren bzw. um 50 Prozent zu reduzieren und die entstehenden Nahrungsmittelverluste entlang der Produktions- und Lieferkette einschliesslich Nachernteverluste zu verringern. 2021 verabschiedete der Bundesrat die Strategie «Nachhaltige Entwicklung 2030 (SNE 2030)» sowie den dazugehörenden Aktionsplan der Periode 2021 bis 2023.


Am 27. Januar 2021 hat der Bundesrat ferner die langfristige Klimastrategie beschlossen. Sie zeigt auf, wie in der Schweiz bis 2050 das Ziel von «Netto-Null» Treibhausgasemissionen erreicht werden kann. Die Reduktion der Lebensmittelverluste entlang der gesamten Wertschöpfungskette ist ein wichtiger Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasemissionen im Bereich der Land- und Ernährungswirtschaft und würde 10 bis 15 Prozent ausmachen.


Mehr erfahren über den Aktionsplan gegen Lebensmittelverschwendung. Zum Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulates 18.3829 Chevalley.


Weniger Angaben, mehr Eigenverantwortung

Eine Veränderung der Farbe und Konsistenz oder ein untypischer, zweifelhafter Geruch sind Signale dafür, dass ein Produkt nicht mehr verzehrt werden sollte. Um die Lebensmittelverschwendung einzudämmen, soll der Konsument wieder mehr Eigenverantwortung wahrnehmen und mehr schauen, riechen, schmecken und geniessen. Dies gelingt jedoch nur durch Aufklärung. Folglich ist es unabdingbar, das Thema Food Waste noch stärker in den öffentlichen Fokus zu rücken. Denn nachhaltiger Konsum gelingt nur dann, wenn der Mensch auf den korrekten Umgang mit Nahrungsmitteln sensibilisiert wird.



Auch eine unsachgemässe Lagerung oder ein falsches Einkaufsverhalten tragen dazu bei, dass noch essbare Lebensmittel vorzeitig im Müll landen. So betrifft das Problem nicht ausschliesslich Produkte mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum, sondern auch Waren wie z. B. Brot, die eine solche Kennzeichnung gar nicht aufweisen.


Tipps im Umgang mit einigen alltäglichen Lebensmitteln

  • Tomaten gehören nicht in den Kühlschrank, ebenso wenig Gurken, Paprika, Zucchini oder Auberginen. Am besten bei Zimmertemperatur aufbewahren, jedoch nicht neben Äpfeln, Birnen oder Tomaten, da dieses Obst durch sein Ethylen-Ausstoss den Reifeprozess fördert.

  • Auch Bananen nicht neben Äpfeln, Birnen oder Tomaten lagern: Bananen werden neben diesem Obst ebenfalls schneller braun.

  • Brot hält sich am besten in einem luftdurchlässigen Tongefäss oder im klassischen Brotkasten. Auf keinen Fall luftdicht bzw. in Plastik verpacken. Brot ist feucht und fängt rasch an zu schimmeln.

  • Käse sollte man ebenfalls nicht luftdicht bzw. in Plastik verpacken. Er hält sich besser in einem leicht angefeuchteten Tuch, in Käse- bzw. Wachspapier oder einem Wachstuch.

  • Zitronen sind sehr kälteempfindlich und daher bei Zimmertemperatur aufzubewahren. Bei fünf bis zehn Grad gelagert halten sie sich bis zu drei Wochen lang frisch, ebenso wenn man sie mit einem Trick in den kalten Kühlschrank stellt, wenn dieser nicht kälter ist als fünf Grad: in ein Küchenpapier einwickeln und in einem Einmachglas luftdicht verschliessen.

  • Champignons brauchen Luft. Am liebsten werden sie in ein Baumwolltuch oder eine Papiertüte gepackt. So können sie nicht schimmeln und auch keinen muffigen Geruch entwickeln.

  • Erdbeeren bei zwei bis drei Grad luftig lagern, am besten in einem Sieb, und erst kurz vor dem Verzehr entstielen sowie waschen, ansonsten werden sie matschig.


Wir haben nur einen Planeten Erde.

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