Bericht: Bio-Bewegung – der Natur und Echtheit verbürgt
- Ivana D'Addario

- 23. Aug.
- 13 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 24. Aug.

Was ist Bio? Auf diese vielschichtige Frage von Anneliese Tenisch, SRF4-News-Produzentin und Moderatorin des Podcasts mit Werner Scheidegger, antwortet er am 29. März 2013 ganz einfach: «Für mich heisst Bio-Landbau, alles zu tun, was lebensgemäss ist, was dem Leben entspricht, eben biologisch ist, und alles zu lassen, was dem Leben schadet». Werner Scheidegger bringt es trivial auf den Punkt. Er weiss, wovon er spricht. Als zentraler Bio-Pionier hat er die Bio-Bewegung in der Schweiz massgeblich mitbestimmt. Der praktizierende Bio-Bauer gründete 1972 Biofarm sowie 1981 die Vereinigung Schweizerischer Biolandbauorganisationen (VSBLO), heute bekannt als Bio Suisse, und präsidierte oder führte beide Organisationen eine geraume Zeit. Zusätzlich prägte er von 1989 bis 2004 als Publizist und Redaktor der Zeitschrift «Kultur und Politik» von Bioforum Schweiz die landwirtschaftliche, politische und kulturelle Debatte rund um den Bio-Landbau. Wer weiss, wo «Bio» heute ohne Werner Scheidegger sowie seine ideologischen Vorgänger und Gleichgesinnten stünde, und der wie alle überzeugten Bio-Landwirte seiner Zeit im nettesten Fall als Idealist und Fortschrittsverweigerer bezeichnet wurde. Kippte das Gemüt, nannte man Bio-Landwirte hierzulande rebellische Bauern, Aussteiger und obendrein Sektierer. Ja, die Bio-Bewegung hatte es in der Schweiz anfangs ziemlich schwer.
In der Zwischenzeit ist viel passiert – und schon vorher war viel geschehen. Richten wir unseren Blick etwa hundert Jahre zurück, stossen wir bezüglich des biologischen Landbaus auf die Bäuerin, Naturistin und Bio-Urmutter Mina Hofstetter sowie den Anthroposophen Rudolph Steiner, die die Bio-Bewegung der 1920er Jahre geprägt und der Schweiz einen ersten «bio-dynamischen» Ruck verpasst haben. Zur damaligen Zeit galten die jungen, appellierenden Bio-Landbauern nicht nur als missionarisch, sondern auch als sektiererisch, begründet dadurch, weil das Wissen rund um den naturgemässen Landbau vorwiegend auf geisteswissenschaftlicher sowie pädagogischer Arbeit beruhte. Evidenzen gab es noch keine, deshalb verstanden sie sich selbst jedoch klar als Aufklärer. In den 1930ern bereitete Hans Müller als überzeugter Agrarpolitiker und -wissenschaftler der ökologischen Landwirtschaft massgeblich den weiteren Weg. 1932 eröffnete er unter anderem die Bauernheimatschule auf dem Möschberg bei Grosshöchstetten, die als die Wiege des biologischen Landbaus gilt. Zusammen mit seiner Frau Maria Müller-Bigler legte er einen Schulgarten an und lehrte die Grundsätze des naturgemässen Landbaus. Das oberste Motiv war Helfen, deshalb engagierte sich Hans Müller darüber hinaus ebenfalls um weiterreichende Aufklärung, indem er die damals praktisch nur auf akademischem Niveau vorhandenen Informationen in eine Sprache übersetzte, die die Bauern verstanden.
Der Aufschwung
Einen richtigen Aufschwung erlebte die Bio-Bewegung hierzulande aber erst ab den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts. Dass ab 1960 schweizweit der Einsatz von Pestiziden in der konventionellen Landwirtschaft explodierte, diente der Bio-Bewegung zu. Doch der Erfolg wurde ihr missgönnt und so stiess sie bei vielen Akteuren, allem voran beim Schweizer Bauernverband (SBV), auf starken Widerstand. Die Ablehnung ging so weit, dass man die Bio-Organisationen in den siebziger Jahren mit einer fragwürdigen Aktion auf die Barrikaden trieb: 1971 reichte der damalige Präsident der Anbau- und Verwertungsgenossenschaft (AVG), Hans Müller – mittlerweile eine bedeutende Figur der Schweizer Jungbauernbewegung und bekannter Bio-Verfechter –, beim damaligen Bundesamt für Gesundheitswesen einen Antrag ein, einen Passus in der Lebensmittelverordnung einzufügen, um biologische Produkte mit dem Etikett «Bio» versehen zu dürfen und sie so gegen Missbrauch zu schützen. Eine hochrangige Expertenkommission liess sich bemerkenswerte drei Jahre Zeit, um das Gesuch mit dem in der Szene berühmt-berüchtigten Satz abzulehnen: «Das Wort «Bio» im Zusammenhang mit Lebensmitteln ist zu verbieten». Obwohl die konventionellen Bauern wohl das Gegenteil bezwecken wollten, war dies der Startschuss für eine neue Bio-Ära. Das 1974 erst einjährige Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) trommelte daraufhin die damaligen Bio-Organisationen Demeter, Biofarm, Bioterra und Progana zusammen, die in den folgenden Jahren mit Otto Schmid als Präsident die erste Fassung ihrer Richtlinien ausarbeiteten. 1980 legte die Schweizerische Gesellschaft für Umweltschutz als eingesetzte Patronin die Richtlinien dem Bund vor.
Gründung der Knospe
1981 entfachte die Gründung von Bio Suisse und die Lancierung der «Knospe» als eingetragene Marke für Bioprodukte beim Eidgenössischen Amt für Geistiges Eigentum (EAGE), heute Institut für Geistiges Eigentum (IGE), eine grosse Dynamik. Bis in die 1990er-Jahre fand der Absatz von Bio-Produkten hauptsächlich über Reformhäuser, Bioläden und dem Direktverkauf ab Hof statt. Als jedoch Coop 1993 in Zusammenarbeit mit Bio Suisse die erste Bio-Eigenmarke «Naturplan» im Schweizer Detailhandel ins Leben rief, nahmen nach und nach auch andere Detailhändler Bio-Produkte in ihr Sortiment auf. Die Etablierung der Produktlinie Naturaplan war der Durchbruch, biologische und tiergerechte Lebensmittel im Schweizer Detailhandel zu verankern und so einem breiten Publikum zugänglich zu machen (die erste Bio-Verordnung von Bio Suisse ist erst 1998 entstanden. Die EU war schneller, sie schaffte es bereits 1992, obwohl die Schweiz ein Bio-Pionierland in Europa ist).
Die hiesigen Bauern billigten die Entwicklung zugunsten von Bio nicht und empfanden die Sonderkennzeichnung als Wettbewerbsnachteil, da sie eine Gefahr für Absatz und Preise darstellte. Sie argumentierten mit Produktivität und stellten die Ertrags- bzw. Versorgungssicherheit bei Bio infrage, weil Bio-Betriebe damals oft tiefere Erträge einbrachten und eine breite Umstellung auf Bio unrealistisch sei sowie die Lebensmittel-Gesamtproduktion für die Schweiz gefährden würde. In der Nachkriegszeit sass der Schock tief und war die Angst vor Hunger nach wie vor real. Allem voran jene, die den Mangel an Lebensmitteln, ihre Rationierung und die unsicheren Transportwege erlebt hatten, waren spürbar geprägt, ja traumatisiert. Vom unbedingten Willen, nie wieder von Importen abhängig zu sein – zumindest nicht in einem riskanten Ausmass, das die Landesversorgung gefährden könnte (auch wenn völlige Autarkie als ebenso unrealistisch galt) –, war auch die damalige Politik getrieben. So galt die Mechanisierung als Schlüssel, um bei einem erneuten Krieg oder einer anderweitigen Krise schnell die Eigenproduktion hochzufahren. Staatliche Förderprogramme und günstige Kredite kurbelten den Maschinenkauf an – eine bewusste Produktivitätsstrategie, um die Agrarwirtschaft in eine wettbewerbsfähige, marktorientierte Richtung zu lenken. Die Devise lautete, Überproduktion im Land zu vermeiden, jedoch die Effizienz zu steigern mit dem Ziel, weniger und dafür leistungsfähigere Betriebe zu fördern. Folglich wurde auch die Investitionslogik ins Feld geführt, denn ab dem zweiten Weltkrieg wurde aus Modernisierungsglauben, Wohlstandslust und weiteren kapitalistischen Gründen massiv in die Mechanisierung der Landwirtschaft sowie chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel (Kunstdünger, Pestizide) investiert – und «Bio» stellte diese Investitionen indirekt oder direkt infrage.
Zu den ideologischen Vorbehalten gegenüber Bio gesellte sich die Kritik, Bio verhindere den damals vorangetriebenen technischen Fortschritt und sei rückständig, da es sich um eine «vorindustrielle Landwirtschaftsform» handle, die mit mehr Handarbeit und weniger Effizienz verbunden sei. Da zudem noch wenig agrarwissenschaftliche Forschung zu Bio-Methoden betrieben wurde, fehlte auch die wissenschaftliche Anerkennung, und viele Experten zweifelten deshalb bis in die 1970er-Jahre am biologischen Landbau und seiner Wirksamkeit – weil dies auch als guter Vorwand diente und einfach möglich war.

Lebensmittelskandale
Wegweisend für den Aufwind des Bio-Landbaus war nicht nur der übertriebene Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutz- und künstlicher Düngemittel durch die konventionelle Landwirtschaft, der hauptsächlich auf Profitgier gründete. Es waren auch die vielen Lebensmittelskandale, sowohl in der Schweiz als auch im Ausland, die grosses Unverständnis und Wut auslösten, zugleich Klarheit schufen und die Bedeutung biologischer Lebensmittel unterstrichen. Die bekanntesten Skandale des letzten Viertel Jahrhunderts waren:
ab 1990 der BSE-Skandal (Rinderwahn), verursacht durch die Verfütterung von Tiermehl und Tierfett aus an Creutzfeldt-Jakob erkrankten Tieren,
1996 der Antibiotika-Skandal mit Ronidazol (Antibiotikum) in Eiern,
1999 der belgische Dioxin- bzw. «Chicken-Gate»-Skandal bei Futtermitteln, die mit PCB und dioxinähnlichen Stoffen von Geflügel und Eiern belastet waren, sowie weitere Futtermittel-Skandale mit Dioxin in den frühen 2000er in Deutschland,
der Gammelfleischskandal zwischen 2005 bis 2006, der verdorbenes als auch nicht für den menschlichen Verzehr bestimmtes Fleisch umfasste, das das Verbrauchsdatum überschritten hatte und neu etikettiert im Verkauf landete,
der Pferdefleischskandal von 2013, als in diversen europäischen Ländern Fertigprodukte wie Bolognesen, Lasagne oder Burger fälschlich als Rindfleisch deklariert wurden, obwohl sie Pferdefleisch enthielten.
Und schon in der Zeit davor sorgte die konventionelle Landwirtschaft für negatives Aufsehen, etwa mit den Quecksilber- und PCB-belasteten Fischen aus Schweizer Gewässern in den 1970er-Jahren oder den Wein-Verfälschungen von 1970 bis 1980, als auch in der Schweiz Fälle bekannt wurden, in denen ausländische als auch minderwertige Weine falsch deklariert oder mit unerlaubten Zusätzen «gepimpt» wurden. Die Bevölkerung begann, die konventionelle Landwirtschaft kritisch zu hinterfragen und gleichzeitig biologische Lebensmittel als echte Alternative wie auch als neue Lebensphilosophie zu betrachten.
Es entwickelte sich nun auch ein strengeres Sicherheitsdenken bei nicht-ökologisch angebauten Lebensmitteln, das systematische Kontrollen, Transparenz und Regulierung oder überhaupt rechtliche Rahmenbedingungen forderte. Tatsächlich bewirkten etliche Massnahmen, dass die herkömmlichen Lebensmittel intensiver überwacht, klarer deklariert und besser rückverfolgt werden können. Gesetzliche Revisionen (die letzte, grössere erfolgte mit der Einführung des Lebensmittelrechts 2017), verbesserte Kennzeichnungspflichten, Kontroll- und Monitoring-Programme, Konsumentenschutz und Transparenz, Tierschutzstandards, Rückruf- und Informationspflicht, Reduktion gesundheitlicher Risiken sowie Prävention sind heute Norm. Seitdem werden regelmässig Verordnungen angepasst: zuletzt mit dem Stretto-4-Paket und dem jüngsten Anpassungspaket per 1. Juli 2025. Auch die Detailhändler waren nicht untätig: Es wurden Sortiment-Anpassungen vorgenommen, Herkunftsnachweise bei Obst und Gemüse oder eine fundiertere Due-Diligence-Praxis zur Kontrolle des Händler- und Lieferantennetzes eingeführt. Freiwillige Selbstverpflichtungen kamen hinzu, so haben Migros und Coop eigene «Code of Conduct»-Programme für Lieferanten, die weit über gesetzliche Anforderungen hinausgehen.
Zu Lebensmittelskandalen kam es ab den 2000er-Jahren auch in der Bio-Szene: 2002 fand man Nitrofen in Bio-Fleisch und Bio-Eiern; zwischen 2007 bis 2011 deckte man die organische Betrügerei durch italienische und rumänische Getreidebauern auf; ab 2011 wurden konventionelle Eier absichtlich falsch mit «Bio» etikettiert – zertifiziert von Bio Suisse. Auch gab es vereinzelt Bio-Bauern, die Pestizide trotz Bio-Etikett spritzten oder mit Insektiziden kontaminierte Bio-Leinsamen importierten. Auch Tierwohlverstösse bei Bio-Betrieben durch nicht tier- und artgerechte Haltung kamen ans Tageslicht. Parallel zum Bio-Boom wuchs auch die Skepsis gegenüber Bio-Labeln.
Nichtsdestotrotz waren die Vorfälle innerhalb des Bio-Landbaus im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft nicht weitreichende Einzelfälle, deutlich seltener, ausserdem weniger gravierend und gesundheitsschädigend, geschweige denn tödlich. Ganz im Gegensatz zum traurigen Exempel aus dem Jahr 2011: die EHEC-Epidemie mit 53 Toten und knapp 4'000 schwer erkrankten Menschen, die sehr wahrscheinlich von Bockshornkleesamen aus Ägypten herrührte. Diese Samen wurden in einem deutschen Gartenbaubetrieb zur Keimlingszucht verwendet, und es wird vermutet, dass sie mit aggressiven EHEC-Bakterien kontaminiert waren; oder 1981 der spanische Speiseölskandal. Die aus Profitgier in Kauf genommene Massenvergiftung ging als einer der grössten Lebensmittelskandale Europas in die Geschichte ein. Industrielles, mit dem Lösungsmittel Anilin denaturiertes Rapsöl wurde als Speise- bzw. hochwertiges Olivenöl verkauft, wobei durch die Kontamination in der Folge bei geschätzt 20'000 Menschen das spanische Ölsyndrom (Toxic Oil Syndrome, TOS) auftrat und etwa 700 Erkrankte später daran verstarben. Oder der flächendeckende, italienische Ölmischerskandal, der ebenfalls in den achtziger Jahren aufgedeckt wurde: Olivenöl wurde mit minderwertigem, meist ausländischem Sonnenblumenöl als auch anderen Pflanzenölen gestreckt und als reines Olivenöl verkauft, was zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden und einem nachhaltigen Vertrauensverlust in italienisches Olivenöl führte, der bis heute anhält.
Mafiöse Olivenölbranche
Die von der Mafia kontrollierte Olivenölbranche war schon vorher korrupt und wartet noch heute ständig mit neuen Skandalen auf (zuletzt 2024). Bis 2008 waren die Kontrollen in Italien besonders lasch, Vorschriften verwirrend und bisweilen auch unsinnig. Zum Beispiel durfte man ganz legal tunesische Oliven in einer toskanischen Ölmühle ausquetschen und das Öl als original toskanisches Olivenöl bezeichnen. Immerhin ist in Italien seit 2008 vorgeschrieben, dass italienisches Olivenöl die Herkunft der Oliven ausweisen muss (Der Spiegel, 24.12.2011, «Die schmierigen Geschäfte der Olivenöl-Mafia»). Leider öffnete die Europäische Union im Frühjahr 2011 der Mafia weitere Türen, indem sie den erlaubten Grenzwert von Alkylestern – chemische Verbindungen, die beim Pressen minderwertiger Früchte oder beim Panschen entstehen – kurzentschlossen auf 150 Mikrogramm pro Kilo herauf. Ein Gehalt, der in ordentlichem, natürlichem Olivenöl nicht einmal annähernd vorkommt. Selten liegt der Wert über 30, bei Spitzenölen sogar nur um die 15 Mikrogramm pro Kilo. Der Umkehrschluss daraus lautet, dass nur auf die hohen Werte kommt, wer das Öl panscht oder sogar desodoriert. Dieser Behördenschritt hinterlässt Fragezeichen.
Der Wahnsinn des Konsums
Die Arbeit der Bio-Bewegung ist noch lange nicht getan. Heute ist sie mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Zum einen ist für den Sinn oder Unsinn von Bio-Produkten die Verarbeitung massgeblich. Das heisst, wenn ein Produkt so stark verarbeitet wird – wie beispielsweise UHT-Milch –, dass es am Ende «tot» ist, unabhängig davon, ob Bio draufsteht, hat dies nichts mehr mit Bio zu tun. Zum anderen ist gemäss Bio Suisse der Mehrumsatz mit Bio-Importen aus der EU oft fragwürdig (nicht immer!), denn er entspricht nicht dem Ideal von Bio Suisse – allem voran, wenn es Produkte sind, die auch hierzulande angebaut werden (können). Abgesehen davon, dass Bio Suisse viel höhere Anforderungen an die Produktion oder Verarbeitung von Bio-Produkten stellt als die Bio-Verordnung der EU, beabsichtigt die Vereinigung die Förderung der heimischen, saisonalen Bio-Landwirtschaft. Dies nicht nur, um die regionale Schweizer Wirtschaft zu stärken, sondern auch um die Transportwege kurz zu halten und den ökologischen Fussabdruck zu verringern. Importe stehen im Widerspruch dazu. Nebstdem sind beispielsweise Bio-Erdbeeren im Winter aus Südafrika blödsinnig, weil sie unbekömmliche Gewächshaus-Produkte von minderer Qualität sind, die verschwenderisch sowohl mit natürlichen als auch fossilen Ressourcen umgehen und oft in Ländern und Regionen angebaut werden, die unter enormer Wasserknappheit oder grossflächiger Landverödung leiden. Die Ideologie von Bio Suisse lautet, keine Abstriche bei den biologischen Grundsätzen zuzulassen, nur um das Geschäft anzukurbeln oder gar in den Vordergrund zu stellen. Allerdings steht die Knospe in erster Linie für den Anbau – was nachher mit dem Lebensmittel passiert, ist nicht mehr zwingend gesund oder gut für uns und die Natur. Gerade bei den Transportwegen handle es sich nicht mehr um das biologische Gedankengut, erklärt Werner Scheidegger im Podcast von 2013.

Aushängeschilder des Irrwegs
Die Problematik mit den Bio-Importen hat sich in den letzten Jahren zugespitzt. Gegenwärtig ist die dunkle Seite des Bio-Booms in der EU ein grosses Thema: Untaugliche Kontrollen, Massenproduktion oder Tierleid sind gang und gäbe, weil die Bio-Vorgaben in der EU viel zu grosszügig sind. Die europäische Bio-Produktion hat sich zur Natur zerstörerischen Industrie gemausert – ganz ohne Pestizide. Riesige Bio-Höfe in Deutschland oder der französische Bio-Weinbau, die sich aufgrund der EU-Bio-Laschheit Dinge erlauben «können», sind jenseits vom eigentlichen Bio-Grundgedanken. Ein überaus abschreckendes Beispiel liefert indes Spanien – dem «Billig-Gemüsegarten Europas». Dort werden die konventionellen Früchte und Gemüse wie die biologischen in denselben gigantischen Treibhauskomplexen in Almería kultiviert – zwar nicht in denselben Treibhäusern, jedoch liegen diese nicht weit voneinander entfernt. Die immense Gewächshausfläche in Almería macht die vollständige Trennung zum Dilemma. Konkret: Viele dieser Gewächshäuser sind nicht hermetisch dicht und die Folien oft beschädigt, zudem haben sie Öffnungen zur Belüftung, so dass Pestizide aus konventionellen Nachbaranlagen durch Abdrift zu den biologischen gelangen. Zu Kontaminationen kommt es auch, weil Konventionell- und Bio-Lebensmittel zusammen transportiert, gelagert oder abgepackt werden. Das Hauptproblem ist allerdings das Grundwasser. Da es in Almería kaum regnet und demzufolge sehr trocken ist, nutzt die Landwirtschaft das Wasser unterhalb der Erdoberfläche oder entsalzt Meerwasser. Durch die jahrzehntelange Übernutzung sind viele Grundwasservorkommen nitrat- bzw. pestizidbelastet und naheliegende Flüsse komplett ausgetrocknet. Und da konventionell als auch biologisch angebaute Pflanzen mit demselben Wasser getränkt werden, finden sich chemisch-synthetische Dünge- und Pflanzenschutzmittel auch in spanischer Bio-Ware. Man könnte sich an dieser Stelle die Frage stellen, ob es angesichts der Ökobilanz sowie des ohnehin enthaltenen Gifts nicht gescheiter wäre, gleich eine konventionelle, heimische Gurke zu kaufen.

Pestizid-Kapitalismus Über künstliche Düngemittel oder chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel wie Herbizide, Fungizide und Insektizide, kurz Pestizide, könnte ich mich ebenso intensiv auslassen – und wahrscheinlich werde ich das demnächst auch in einem weiteren Blog tun. An dieser Stelle genügt es vorerst, die durch Geldgier und Macht motivierte Täuschung der Agrarchemie-Konzerne zu benennen sowie folgender Hinweis: Neueste Ergebnisse einer Langzeitstudie belegen, dass «Glyphosat noch krebserregender ist als gedacht». So titelte das Umweltinstitut München e.V. die neuesten Ergebnisse am 8. Juli 2025 aus meiner Warte etwas unglücklich, denn «gedacht» haben das bei all den unzähligen Indizien und Verdachte seit spätestens 60 Jahren sämtliche Akteure der Bio-Bewegung, Umweltschützer und viele andere Öko-Aktivisten. Das Buch «Der stumme Frühling» (englischer Titel «Silent Spring») von Rachel Carson erschien 1962 und hat weltweit für Aufsehen gesorgt und zum Glück vieles bewirkt. Es gilt als ein Schlüsselwerk der modernen Umweltbewegung. Wer also ernsthaft dachte, dass Pestizide nur ab Überschreiten irgendeines zugelassenen Höchstwerts schädlich seien, lügt skrupellos, ist unglaublich naiv und/oder hat die letzten Jahrzehnte weder aufgepasst, noch sich informiert – wo es doch heute mit dem Internet und künstlicher Intelligenz einfacher denn je ist.
Alles beginnt im Kopf – und auch im Herzen
Heute sind der Artenschwund und das Artensterben nachweislich direkt auf den Einsatz von Pestiziden zurückzuführen. Gifte entfalten immer eine Wirkung, oder andersrum: Gifte bleiben nie wirkungslos – weder in Lebensräumen wie Böden noch in Organismen. Die Bodenfruchtbarkeit ist demnach elementar. «Ein Boden muss langfristig fruchtbar bleiben und die Pflanzen, die darin gedeihen und wachsen, für Menschen gesund sein», erklärt Werner Scheidegger im oben erwähnten Interview mit Anneliese Tenisch. Eine weitere Aussage, die mir besonders zentral erscheint, ist:
«Eine wirklich gesunde Pflanze kann sich ihrer Krankheiten oder Schädlinge selber erwehren. Für die Bio-Bauern sind die Krankheiten und Schädlinge ein Zeichen, dass etwas im Boden nicht stimmt».
Die Lösung also beginnt nicht nur im Kopf, sondern auch im Herzen – denn ich bin überzeugt: Jeder kann seinen Beitrag leisten, egal wie bescheiden dieser aussehen mag. Anfangen könnte man zum Beispiel mit dem Überdenken seines Einkaufsverhaltens, genauer gesagt mit Verzicht. Niemand braucht Erdbeeren minderer Gewächshaus-Qualität im Winter sowie aus Ländern mit problematischen Anbaumethoden, die Umweltdesaster verursachen. Umweltorganisationen wie WWF oder NABU raten deshalb schon lange von solchen Käufen ab, denn Treibhausgasemissionen, die mitunter stark von der Lebensmittelindustrie und ihren Transporten verursacht werden, stehen überdies in einem direkten Zusammenhang mit dem Klimawandel – und wir mit unserem Einkaufsverhalten sind die Treiber in die eine oder eben andere Richtung. Ich bin für die naturnahe Richtung, deshalb halte ich es persönlich ganz besonders für notwendig, Bio-Produkte aus Spanien gänzlich zu meiden, sowie das eine oder andere Produkt aus Deutschland oder Italien. Denn wenn eine falsche Landbauform oder der Strukturwandel in der Landwirtschaft dazu führt, dass Land zerstört wird und nicht mehr für den Landbau geeignet ist, oder Tiere leiden, müssen wir dafür sorgen, dass diese Böden fruchtbar bleiben und Tiere besser geschützt werden. Deshalb ist Bio so wichtig, weil es die Bodenfruchtbarkeit bewahrt und Tiere behütet. So gesehen ist Bio auch gegen den Hunger in der Welt.
Jede Generation hat ihre Aufgabe
Jede Generation steht in einer bestimmten historischen Situation, die ihr spezifische, gesellschaftliche Aufgaben stellt. Sie wird in die Folgen der Taten ihrer Vorgänger-Generationen hineingestellt. In diesem thematisierten Fall sind diese Erbschaften ökologische Krisen oder die damit zusammenhängende soziale Ungleichheit, ob hierzulande oder anderswo, die global Unruhen und eine neue Form der Fluchtbewegung aufgrund Wasserknappheit, schlechter Wasserqualität oder grossflächig zerstörter Landstriche hervorbringen. Diese Probleme sind zu bewältigen oder wenigstens nicht zu verschärfen. Man könnte jetzt hedonistisch disputieren, ob es zu unserer ethischen Verantwortung gehört, dies tun zu müssen – zweifelsohne eine Frage der Interpretation. Doch als Teil der Gesellschaft und Weltbevölkerung geht uns die Umweltzerstörung alle etwas an. Wir haben notgedrungen die Fehler unserer Vorgänger sowie unsere eigenen zu korrigieren und Verantwortung zu übernehmen, denn eines muss uns bewusst sein: Auch wir als Zugehörige unserer eigenen Generation bringen wiederum neue Probleme hervor, die wir der nächsten vererben. Zum Beispiel läuft in unserer Zeit definitiv etwas schief, wenn wir glauben, uns den Luxus Food Waste leisten zu können und Esswaren, die eigentlich für den Menschen gedacht waren, im Schweinetrog oder auf dem Müll landen.
Erkenntnis und Einsicht
Zu unserer Aufgabe gehört zum einen die Erkenntnis, dass wir zu viel essen, vor allem viel zu viel Fleisch. Mittlerweile gilt etwa ein Drittel der Weltbevölkerung als übergewichtig oder fettleibig! Umweltbedingte Gesundheitsprobleme und andere, die mit der Ernährung und Landwirtschaft zusammenhängen, nicht berücksichtigt. Zum anderen sind unser Einkaufsverhalten als auch unsere Einstellung zur Natur ausschlaggebend. Der Lebensmitteleinkauf im oder aus dem billige(re)n Ausland, einzig um Geld zu sparen oder Schnäppchen zu jagen, sind einzudämmen, um den eigenen Lebensmittelmarkt zu stärken, wenn wir den Klimawandel bremsen wollen. Und das müssen wir zweifelsohne. Dazu gehört eben auch, sich den Kauf von Bio-Produkten aus Ländern mit irrsinnigen landwirtschaftlichen Methoden zu verkneifen. Wäre ein Lebensmittel nicht verfügbar, würden wir schlicht auf Verfügbare ausweichen. Wäre ein Lebensmittel nicht perfekt geformt, würden wir uns ohne Weiteres auch dreibeinige Karotten einverleiben.
Sobald die Verschwendung von Lebensmitteln drastisch reduziert wird, rückt die Versorgung mit Bio-Lebensmitteln deutlich näher an die Realität, da der oft kritisierte Ertragsnachteil zu einem wesentlichen Teil kompensiert werden kann. Hinzu kommt, dass eine gemässigtere Ernährung (weniger Überkonsum, weniger tierische Produkte) den verbleibenden Bedarf zusätzlich reduziert. Darüber hinaus existieren zu viele hochverarbeitete, industrielle Lebensmittel, die die Welt definitiv nicht braucht. Angesichts dieser Fakten verlieren die grossen Zweifel, ob Bio die Versorgung sicherstellen kann, erheblich an Gewicht.
Sektiererisch? Von wegen.
Bio muss also weitergehen. Diese Landbauform ist die Zukunft für die Ernährung der Menschen und gegen den Welthunger. Weltweit wurde schon unglaublich viel Landwirtschaftsland ruiniert, weil nicht ökologisch bzw. biologisch gewirtschaftet wurde.
Wir als heutige Gesellschaft legen die Grundsteine der Zukunft.
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