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Holunderblüten

Mit der Blüte des Schwarzen Holunders beginnt der Frühsommer und damit die alles lichtdurchflutende Jahreszeit. Wenn die Beeren reif werden, steht wiederum der Herbst vor der Tür. Bei den Kelten verkörperte der Holunderbaum die Unendlichkeit des Lebens: Im Winter war der Baum «tot» und im Frühjahr erwachte er zu neuem Leben.

 

Die Urheimat des Holunderbaums ist wahrscheinlich Mitteleuropa. Da er anspruchslos und sehr robust ist, konnte er sich auch mühelos in Asien, Indien, Westsibirien, Nordafrika und im Kaukasus ausbreiten. Er gehört mittlerweile zu dem Strauch, dem man am häufigsten begegnet. Botanisch wird der Holunder «Sambucus» genannt und gehört zur Familie der Moschuskrautgewächse (Sambucus, geht wahrscheinlich auf die Sambuche zurück, ein altgriechisches, harfenähnliches Instrument, das aus Holunderholz gefertigt wurde). Weltweit gibt es etwas mehr als 20 Arten, wobei sie nicht nur als Lebens- und Heilmittel genutzt werden, sondern auch wegen ihres Farbstoffs.

Im Schwäbischen und Schweizerdeutschen wird der Holunder auch Holder genannt. Im Norden Deutschlands ist er als Fliederbeerbusch bekannt und in der Pfalz, in Altbayern und Österreich wiederum als Holler. Weitere sinnverwandte Namen sind Attich, Alhorn, Betschel, Elder (englisch), Ellhorn, Flieder, Fliederbusch, Huskolder, Kelkenbusch und viele mehr. Übrigens: Die deutsche Endung «der», wie sie zum Beispiel beim Wort Holder vorkommt, leitet sich ab vom indogermanischen «deru», was Eiche oder Baum bedeutet.


Das Wort Holunder stammt vom Althochdeutschen «holuntar» ab, das sich zusammensetzt aus «holun» für hold, eilig, gnädig sowie «tar» für Baum oder Strauch. Der «heilige Baum» der Kelten verkörperte die Grosse Mutter Erde, die allgegenwärtige Muttergöttin. Die Ähnlichkeiten des deutschen Namens Holunder mit Holda, Hulda, Holla, Hohe oder Holle, was «die Strahlende» bedeutet, ist nicht zufällig. In der germanischen Mythologie wurde der Holunderbaum durch die Namensverwandtschaft mit Holda, Holla, Hohe oder Holle als «Baum der Frau Holle» (auch als Frau Perchta bekannt) verehrt. Für die Germanen war Frau Holle auch Hausgöttin sowie Schutzpatronin der Pflanzenwelt. Der «gütigen Mutter Erde» zu Ehren pflanzten sie in ihren Hausgärten Holunderbäume, um Opfergaben an sie darunter darzulegen oder mit ihr in Verbindung zu treten.

Ausser zu Heilzwecken wurde der Holunder auch zu zahlreichen heidnischen und magischen Zwecken verwendet. Die Christianisierung der Germanenreiche brachte daher mit sich, dass er bald in Verruf geriet und zum «Baum des Teufels» erklärt wurde. Der ultrapatriarchalen römisch-katholischen Kirche war die heilige Frau Holle ebenfalls ein Dorn im Auge, daher wurden sie und ihre Güte durch den Sankt Nikolaus ersetzt, der eher nach dem Prinzip «Zuckerbrot und Peitsche» handelte. Schliesslich wandelte sich auch der Holunderzweig, den er ursprünglich in der Hand hielt und der als letztes Überbleibsel an die germanische Göttin erinnerte, zu einer Rute. Fortan wurde der alte germanische Brauch verboten, unter einem Holunderbusch zu beten und der Muttergöttin zu opfern.

Dass die Holunderblüten und -beeren sehr gesund sind, ist seit der Antike bekannt. Schon der griechische Arzt und Lehrer Hippokrates (460 bis 377 vor Christus) pries die Heilkraft des Holunders und nannte ihn «einen Medizinschrank». Er wurde bei vielen Krankheiten eingesetzt, vor allem als harntreibende, abführende Arznei, und auch als wichtiger Vitamin-C-Lieferant war er hoch angesehen. Der heute berühmte Fliedertee beispielsweise war Grundbestandteil der sogenannten Bauernapotheke. Doch erst einige Jahrhunderte später verwendete man die Heilpflanze auch bei Erkältungen, Fieber, Atemwegsinfekten und Grippen allgemein. Das Multitalent stärkt das Immunsystem, ist ausserdem krampflösend und blutreinigend und hilft sowohl bei Rheuma, gereizten Augen, Heuschnupfen als auch bei Verstopfung, Hautunreinheiten sowie Zahnschmerzen. 

Jedoch ist Vorsicht geboten: Rohe Holunderbeeren enthalten Sambunigrin, ein Pflanzengift, das auch in Apfelkernen nachweisbar ist. In Sambunigrin steckt Blausäure, die sich mit Wasser löst und freisetzt. Isst man die Beeren direkt ab Baum, kann es daher zu Übelkeit, Erbrechen, Krämpfen, Magenschmerzen und Durchfall kommen. Holunderbeeren sollten also nicht roh gegessen werden. Sambunigrin zerfällt beim Erhitzen und ist nicht mehr giftig.

Mit den Blüten lässt sich in der Küche ebenso viel herstellen wie mit den Beeren. Während Letztere gerne zu Gelées, Konfitüren, Rotwein oder für Parfaits verarbeitet werden, finden die Blüten und Blütenstände gerne für Limonaden, Sekte, Sirupe und vielen anderen Leckereien Verwendung.

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