Zitronen
Zitronen verleihen diversen Gerichten mit ihrer unnachahmlichen Note überhaupt erst den raffinierten Kick, weshalb sich viele eine Küche ohne die saftige, süss-saure Komponente von Zitronen gar nicht mehr vorstellen können. Heute verwenden wir zum Kochen und Backen ganz selbstverständlich Zitronen. Genauso zum Putzen. Auch die Zubereitung so mancher Getränke, allem voran die klassische Limonade, ist ohne sie undenkbar geworden. Dabei kennen wir die Zitrusfrucht noch gar nicht so lange. Ihre Geschichte ist lang und, da noch nicht ganz erforscht, haftet ihr auch etwas Geheimnisvolles an.
Gewusst? In der Botanik zählen Zitronen zu den Beeren. Denn die Zitrone ist, wie alle Beeren, eine aus einem einzigen Fruchtknoten hervorgegangene Schliessfrucht, und die Fruchtwand (Perikarp) bleibt auch im reifen Zustand saftig bzw. fleischig, so wie es beim Beerenobst der Fall ist.
Heute wachsen Zitronen überall dort, wo es länger heiss ist, auch nachts sehr warm bleibt und die Erde feucht sowie gleichzeitig locker und humos ist – in Europa vor allem in Italien und Spanien. Nur bei diesen Standortbedingungen können der Zitronenbaum und seine Früchte gedeihen. Ein zufriedener Zitronenbaum bildet das ganze Jahr über Blüten, aus denen die Zitronen hervorgehen. Somit kann laufend geerntet werden. Von der Blüte bis zur Fruchtreife dauert es sieben bis zwölf Monate. Da Zitrusfrüchte allgemein zu den nicht-klimakterischen Pflanzenarten gehören, können auch einmal geerntete Zitronen nicht nachreifen. Vollreif und sofort ab Baum verzehrt, sind Zitronen weich wie ausgereifte Aprikosen und schmecken ebenso süss sowie leicht sauer, obschon sie gar keinen Zucker enthalten, da sie ihn nicht bilden können. Der überreife Geschmack gaukelt ihn der Zunge jedoch vor. Und: Obwohl hierzulande verfügbare Zitronen sauer schmecken, werden sie vom Körper basisch verstoffwechselt.
Die Zitrone, wie wir sie heute kennen, entstand aus einer Kreuzung von Zitronatzitrone und Bitterorange, wobei die Bitterorange wiederum eine Hybride aus der Pampelmuse und Mandarine ist. Der Ursprung der «wilden» Zitrone, auch Cedro genannt, ist nicht ganz geklärt, doch sicher ist, dass sie aus Asien stammt und dort schon vor mehr als sieben Millionen Jahren wuchs. Ferner wird vermutet, dass ihre ursprüngliche Heimat im nördlichen Indien liegt. In Burma, heute Myanmar, und China wurde die Zitronatzitrone bereits vor mehr als 4'000 Jahren angebaut. Man nimmt an, dass diese nicht zum Verzehr geeignete Urart in der Antike hauptsächlich als Zier- und Duftpflanze sowie für Kosmetika und als Heilmittel kultiviert wurde.
Alexander der Grosse entdeckte die Zitrusfrucht während der Eroberung des altpersischen Reiches im vierten Jahrhundert vor Christus, weshalb sie in seinen Schriften an verschiedenen Stellen Erwähnung findet. Quellen berichten unterschiedlich darüber, wann die Zitronatzitrone tatsächlich nach Europa kam. So soll sie gemäss den einen bereits im Laufe des Alexanderzugs nach Südeuropa bzw. Italien und Spanien gelangt sein, gemäss den anderen wiederum erst, als sich der Welthandel um das Jahr 1000 langsam zu entwickeln begann und während der Kreuzzüge, also im Zuge der Eroberung Jerusalems zwischen dem elften und dreizehnten Jahrhundert, bedeutend an Schwung gewann. Sicher ist, dass die Zitronatzitrone die erste in Europa eingeführte und kultivierte Zitrusfrucht ist, die sich über Persien und Arabien und weiter über die levantinischen Gebiete ausgebreitet hat und so in den Mittelmeerraum vorgedrungen ist. Heute ist man sich zudem ziemlich sicher, dass es die jüdischen Migranten waren, die das Pflanzenmaterial nach Südeuropa brachten, da die Zitronatzitrone, im Hebräischen «Etrog» genannt, unverzichtbar ist als eine der Arba Minim: die vier Pflanzenarten, die am Sukkotfest (Laubhüttenfest) traditionell den Feststrauss zieren. Von religiöser Wichtigkeit ist die Cedro der Sorte «Buddhas Hand», bestehend aus mehreren «Fingern», auch für Buddhisten, die die Frucht als Altargabe verwenden. In China steht sie für Gesundheit, Zufriedenheit und Glück und wird altherkömmlich an Neujahr verschenkt.
Die historisch eher junge Züchtung Zitrone soll erst in der ersten Hälfte des neunten Jahrhunderts nach Christus infolge der arabischen Eroberungen nach Sizilien gekommen sein. Zwar wird vielerorts berichtet, dass bereits die alten Römer und Griechen Zitronen in ihren Gärten anpflanzten, doch Historiker vertreten die Ansicht, dass es sich dabei um ihre Urmutter, die Zitronatzitrone, handelt (ebenso auf Gemälden, die das Altertum darstellen). In Sizilien und Südspanien konnte die Existenz von Zitronen anhand von Holzresten und Anbaumethoden erst seit dem dreizehnten Jahrhundert nachgewiesen werden, in Deutschland gar erst seit der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts. Über den Seeweg gelangte die Zitrone in die ganze Welt. Übermittelt ist auch, dass 1492 nicht nur Christoph Kolumbus Fuss auf dem amerikanischen Kontinent fasste, sondern auch die von ihm aus Kastilien mitgebrachte Zitrone. Portugiesische Seeleute importierten im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert erste grössere Mengen Zitronen, die ausserhalb des Abendlandes angebaut wurden, nach Europa. 1870 wiederum wurde die erste grosse Zitronenlieferung per Schiff von Sizilien nach Nordamerika gebracht.
Der Name Zitrone bezieht sich auf die ursprüngliche Zitronatzitrone bzw. Cedro und ist seit dem sechzehnten Jahrhundert bezeugt. Er wurde aus dem Italienischen «citrone» entlehnt, einer alten Bezeichnung für das heute gebräuchliche «cedro». Beide gehen auf das Lateinische «citrus» für Zitronen-/Lebensbaum zurück – in der Botanik auch die allgemeine Kennzeichnung aller Zitrusfrüchte. Diesem Begriff wiederum liegt das Griechische «kedros» bzw. «kedromelon» zugrunde, was Zeder bzw. Zedernapfel bedeutet und auf den ätherischen Duft hindeutet, der typisch für Zitrusfrüchte ist und auch Zedern ausströmen. Ihr intensiver, Zedernfrucht-ähnlicher Duft hat der Zitronatzitrone also ihren Namen verliehen.
Die Ur- bzw. Zitronatzitrone wird auch Zedrat-Zitrone, Zedrate, Cedro, medischer Apfel bzw. Apfel aus Medien (einem Land im Altertum, das die Gegend um das Zagrosgebirge umfasst und im heutigen iran-irakischen Grenzgebiet lag) oder Judenapfel genannt. In der deutschen Sprache standen Zitronen anfänglich ausschliesslich für Zedrate, später aber wurden sie auch auf die Limone übertragen – heute ein gängiges Synonym für Zitrone. Im Englischen hingegen wird noch heute klar differenziert: Die Zitronatzitrone nennt man «citron» und die Zitrone, wie wir sie heute kennen, wiederum «lemon». Die Namensgebung der Limone geht auf das Arabische «laimun» sowie das Türkische «limon» bzw. das Persische «limun» zurück.
Neben der Mandarine und Pomelo bzw. Pampelmuse gehört die Zitronatzitrone zu den ältesten Zitrusarten. Im Unterschied zur gezüchteten Zitrone besitzt die wilde Art eine unregelmässige, höckerige, das heisst wulstige Schale, die sehr dick ist und roh ungeniessbar. Das im Fruchtinneren weisse Mesokarp ist ebenfalls dick, ausserdem verfügt die Frucht über viele Kerne, nur sehr wenig, wenn auch köstliches süss-saures Fruchtfleisch, und ist daher beinahe saftlos (bei Zitrusfrüchten gilt generell: je dünner die Schale, desto saftiger die Frucht). Die Farbe ihrer Schale ist hell- bis sattgelb, während jene der Zitrone in einem leuchtenden Gelb daherkommt. Ebenso ist die Cedro viel grösser und ovaler als ihre gezüchtete Verwandte, die in der Regel faustgross und eher rundlich ist. Die Urzitrone hingegen kann 20 bis 25 Zentimeter lang und bis zu vier Kilogramm schwer werden. Ihre kandierte Schale ist bei uns als echtes Zitronat (Sukkade) erhältlich.
Zitronen müssen im Übrigen nicht gelb sein. Die Farbe sagt nichts über den Reifegrad der Frucht aus, denn auch reife Zitronen hängen vom Früh- bis Spätsommer grün am Baum. Je heisser das Wetter, desto grüner die Frucht. Die gelbe Farbe erhalten sie im Herbst, wenn die Temperaturen zwischen Tag und Nacht grösser werden und es nachts kälter wird als 12,5 Grad Celsius. Dann produzieren die Früchte das Reifegas Ethylen, wodurch der grüne Farbstoff Chlorophyll abgebaut wird und sich die Schale der Früchte auf natürliche Weise zitronengelb färben.
Wichtig: Zitronen aus biologischem Anbau werden in der Regel reif geerntet und nicht nachbehandelt, daher sind sie im Handel häufig(er) grün zu finden und ihre wertvolle Schale ist verzehrbar. Die Schale konventioneller Zitrone ist für den Verzehr hingegen ungeeignet, denn in der konventionellen Produktion werden geerntete Zitronen durch niedrige Lagertemperaturen und den Einsatz von Ethylen entgrünt, weil viele Menschen nicht wissen, dass auch grüne Zitronen reif sind bzw. die gelbe Farbe nur von Temperaturschwankungen herrührt. Ausserdem werden Zitronen mit nicht abwaschbaren Konservierungsmitteln und Wachsen behandelt, damit die Schale schön glänzt und Unwissende zum Kauf anregt. Ebenso sind sie häufig nachweislich vollgepumpt mit Pflanzenschutzmitteln. Daher wärmstens zu empfehlen: Hände weg von konventionellen Zitronen!
Ein Ernährungsmythos, der sich nach wie vor hartnäckig hält, ist der, dass Zitronen besonders reich an Vitamin C sein sollen. Dabei führt die Zitrone das Ranking des Vitamin-C-Gehalts lange nicht an. In Orangen, Papayas, Erdbeeren und Kiwis ist mehr Vitamin C enthalten. Auch die Gemüsesorten Brokkoli und Grünkohl weisen doppelt so viel Vitamin C auf, ebenso der Sanddorn. Die heimischen schwarze Johannisbeeren enthalten vier und die tropische Guave gar fünf Mal so viel auf. Mit Abstand am meisten Vitamin C kann allerdings mit der exotischen Acerolakirsche aufgenommen werden. Mit unschlagbaren 34-Mal so viel schafft sie es auf den ersten Platz.
Dennoch: Die Zitrone ist seit jeher ein wichtiger Vitamin-C-Lieferant. Das wussten bereits die alten Seefahrer, denn auf den langen Fahrten über die Weltmeere erkrankten sie oft an Skorbut, veraltet auch Scharbock und Mundfäule genannt. Eine Krankheit, die durch das vollständige Fehlen von Vitaminen innerhalb von zwei bis vier Monaten hervorgerufen wird. Der Seefahrer James Cook war der Erste, der auf seiner ersten Entdeckungsfahrt (1768 bis 1771) mit der Endeavour Zitrusfrüchte für seine Schiffsmannschaft mitnahm uns so verhinderte, dass seine Männer an Skorbut erkrankten.
Art: Zitrone I Zitronenbaum
Gattung: Zitruspflanzen (Citrus)
Lateinischer Name: Citrus limon
Syonyme: Limone
Pflanzenfamilie: Rautengewächse (Rutaceae)
Unterfamilie: Aurantioideae
Ordnung: Seifenbaumartige (Sapindales)
Anzahl bekannter Arten: unbekannt
Habitus: kleiner bis mittelgrosser, d. h. bis zu sechs Meter hoher, buschiger, immergrüner und raschwüchsiger Baum I junge Triebe sind mit kleinen, dünnen Dornen besetzt I Iänglich ovale bzw. lanzettliche und unifoliate Laubblätter mit Spitze I leicht gesägte oder gekerbte Blattränder I verbreiterter bzw. geflügelter Blattstiel I rötlicher Austrieb und rosa Knospen I weisse, fünfblättrige Blüten, unterseitig rosa bis violett, mit fünf verwachsenen Kelchblättern I zylinderförmiger Fruchtknoten, der in einen Griffel übergeht I bis zu 40 mit den Staubfäden verwachsenen Staubblättern I Blüten können faulig riechen I grüne oder gelbe, rundlich ovale, zirka zehn Zentimeter grosse Früchte, die einen intensiven, Zedernfrucht-ähnlichen Duft ausströmen
Alter: 40 bis 100 Jahre
Hauptblütezeit: ganzjährig
Erntezeit: ganzjährig, i. d. R. November bis Januar
Standort: ab Mitte Mai bis Ende Oktober/November liebt der Zitronenbaum sonnige Südlagen mit direkter Sonneneinstrahlung, er muss jedoch vor Wind und zu starkem Regen geschützt werden, weshalb er idealerweise in der Geborgenheit einer Mauer, die Hitze abstrahlt, oder einer höheren Hecke steht I die ideale Temperatur liegt zwischen 20 und 35 Grad (über 40 Grad behagen ihm nicht) I das Winterquartier sollte kühle drei, besser fünf bis zwölf Grad aufweisen und hell sein I Der Zitronenbaum mag lockere, aber stabile, feuchte, humose Erde I liebt hartes Wasser I braucht viel Wasser, regelmässig Dünger und einen ebenso regelmässigen Schnitt I mag keine Staunässe I verträgt keinen Frost und keine Temperaturschwankungen
Besonderheit: Tief- bzw. Pfahlwurzler I Selbstbefruchter I trotz allem Anschein ist die Pflanze recht anspruchslos, solange die Mindestanforderungen erfüllt sind I der Zitronenbaum blüht und fruchtet bei idealen Bedingungen das ganze Jahr über I die erste Blüte erfolgt nach frühestens fünf, in der Regel nach acht Jahren I um eine ausreichende Luftfeuchtigkeit von 50 Prozent und höher zu erreichen, stellt man den Zitronenbaum im Topf auf einen Untersetzer bzw. schafft einen anderweitigen Untergrund, der mit Kieselsteinen und Wasser gefüllt ist. Das verdunstende Wasser bestreicht unablässig die Blüten, Blätter und Früchte.