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Bärlauch

Der Bärlauch ist geschichtsträchtig und auch seine Namensherkunft ist eine schöne Illustration für das volkstümliche Verhältnis zwischen der Tier- und Pflanzenwelt. So wie sein deutscher als auch englischer Name «bear’s garlic» leitet sich auch der lateinische «Allium ursinum» von nicht belegten Beobachtungen ab, wonach Bären nach Aufwachen aus dem Winterschlaf bevorzugt Bärlauch fressen, um wieder zu Kräften zu kommen, zu entgiften und sich innerlich zu reinigen. Für viele Tiere ist das Kraut dagegen giftig, folglich wurde der Bär zum Symbol für Kraft und Wildnis und gab der Pflanze seinen Namen. Bärlauch oder Bärenlauch wird auch als wilder Knoblauch, Knoblauchspinat, Waldknoblauch, Rinsenknoblauch, Hundsknoblauch, Hexenzwiebel, Ramsen oder Waldherre bezeichnet.

 

«Allium ursinum» heisst übersetzt «für Bären geeigneter Lauch» oder simpler «Lauch des Bären», wobei «ursus» Bär bedeutet und wiederum mit dem Indogermanischen «rtḱo» und Griechischen «arktos» verwandt ist, zu Deutsch «arktisch». Auch das passt botanisch zum Bärlauch: Für Kräuter hat er nämlich untypische Standortansprüche. Im Gegensatz zu den eigentlich sonnenliebenden Kräutern ist das Lauchgewächs hitzeempfindlich und mag nicht nur den Halbschatten, sondern blüht in vollschattiger und kühler Umgebung sogar richtig auf. Seine grossen, saftig grünen Blätter weisen darauf hin, dass der Bärlauch direkte Sonne meidet und feuchte, nährstoffreiche Böden liebt. Die meisten anderen Kräuter hingegen fühlen sich auf trockenen, sandigen oder steinigen Lagen besonders wohl. Deshalb tragen sie eher kleine, graulaubige oder haarige Blätter. Der Bärlauch wiederum wächst auch gerne an Bachufern und Flussniederungen. So hat er seinen Ursprung in den gemässigten Klimazonen Europas und ist bis nach Nordasien anzutreffen.

 

Bei den Kelten verlieh der gesundheitserhaltende Bärenantrieb dem Lauch auch eine mythologische Vorstellung von Kraft und Erneuerung. Sie wussten um seine heilende Wirkung und nutzten ihn selbst zur körperlichen Stärkung sowie gleichzeitig zur Abwehr heimsuchender Geister. Denn man schrieb ihm auch die rituelle Fähigkeit zu, Unheil abzuwenden. Die Germanen überdies waren überzeugt, dass die Kraft des Bärlauchs auf die Bären überging und von ihnen wiederum auf die Menschen, die Bärlauch assen. Deshalb verzehrten ihn die Krieger vor einer Schlacht im Glauben, er würde sie bärenstark machen. Die Römer schätzten Bärlauch als Heilpflanze genauso und zogen ihn zur Blutreinigung als auch bei Verdauungsstörungen und gegen Parasiten sogar dem Knoblauch vor.

 

Tatsächlich wird dem Bärlauch eine entgiftende und damit kräftigende Wirkung zugeschrieben. Reich an bioaktiven Substanzen gilt er als natürlicher Förderer des Immunsystems und versprüht besonders im Frühjahr, zur Zeit des Erwachens und des Neubeginns im Jahreskreis, seinen Reiz. Sein Effekt auf die Gesundheit ist auf schwefelhaltige Verbindungen zurückzuführen, allem voran Allicin. Da Schwefel antibakterielle und zugleich antimykotische Eigenschaften besitzt, also synchron pilzhemmend oder -tötend ist, werden durch Zerkleinern und Kauen der Blätter schädliche Bakterien und andere Mikroorganismen im Magen und Darm sowie in der Leber und Galle in Schach gehalten gehalten (dies erklärt die breite pharmakologische Wirkung von Knoblauchpräparaten). Ebenso fördert der Bärlauch die Ausscheidung und sorgt für eine allgemein gesunde Mikroflora. Daneben enthält er Polyphenole und Flavonoide, viel Vitamin C, Eisen, Magnesium sowie Mangan. Im Mittelalter gab man dem Bärlauch deshalb den Namen «Herba salutaris», der übersetzt schlicht Heilkraut bedeutet, jedoch spezifisch für den potenten Bärlauch steht. Wie einst die Römer empfahl auch Hildegard von Bingen, berühmte Äbtissin und bedeutende natur- und heilkundige Universalgelehrte (siehe auch Kräuter), Bärlauch zur Reinigung des Blutes sowie bei Verdauungsstörungen und Hautleiden. Beim allgemeinen Volk war er als pflanzliches Gegenmittel bei Arteriosklerose, Wurmbefall und Frühjahrsmüdigkeit bekannt.

Als sehr geschätzte Heil- und Nahrungspflanze fa nd sie in den Religionen sowie in der Spiritualität mithin Anwendung, besonders zum Schutz vor bösen Geistern und Hexen, Dämonen und Vampiren. Denn Pflanzen mit starker Wirkung oder enorm intensivem Geruch wie auch Knoblauch, Tollkirsche oder Alraune wurden im Aberglauben bisweilen mit dämonischen Kräften oder Hexerei assoziiert. In der katholischen Kirche stand der Bärlauch zeitweise unter Verdacht, auch eine aphrodisierende und fruchtbarkeitsfördernde Wirkung zu haben, weshalb er vor allem im Mittelalter ambivalent angesehen wurde. Wahrscheinlicher ist, dass sein zwiespältiger Ruf von den allgemein      heidnischen Praktiken herrührte, die die Kirche traditionell ablehnte.

In der Küche mochte man Bärlauch schon früh als Gewürz, doch aufgrund seines nachhaltig anhaftenden Images als Kraut der Lust, Sinnlichkeit und Fruchtbarkeit wurde er hier und dort gemieden und geriet in Vergessenheit. Erst seit etwa einem halben Jahrhundert feiert der Bärlauch in der Kulinarik zum Glück eine Renaissance. Heute isst man ihn gerne als Pesto, in Dips, Suppen und Salaten oder verwendet ihn zum Würzen. Gut zu wissen: Als «Schattengewächs» sind auch die gesundheitlich relevanten Wirkstoffe des Bärlauchs hitzeempfindlich, daher verzehrt man ihn am besten roh (vorher immer gut waschen!) oder in kaltgepressten Ölen eingelegt, dann kommen die fettlöslichen Inhaltsstoffe des Bärlauchs besonders zum Tragen. Möchte man ihn länger haltbar machen, empfiehlt sich Einfrieren, denn beim Trocknen verflüchtigen sich viele seiner charakteristischen Wirkstoffe.

 

Zu seiner Hauptsaison von März bis Mai wächst der Bärlauch im Laubwald auf Lichtungen und an Waldrändern. Wo er vorkommt, gedeiht er üppig und riecht man ihn schon von weitem. Sein leuchtend grünes, dichtes Blättermeer tief am Boden erweckt den Eindruck, der Wald hätte seinen prächtigsten Teppich zum Frühlingssputz ausgelegt. Die Schönheit und der Duft dieses Spektakels lockt viele Sammler an, die sich einiges bewusst machen müssen: Einerseits sieht der Bärlauch den giftigen Maiglöckchen und noch giftigeren Herbstzeitlosen zum Verwechseln ähnlich, deshalb ist grosse Vorsicht geboten. Ihr Verzehr kann tödlich enden. Man sammle daher nur, was man wirklich kennt. Andererseits ist der Bärlauch zwar nicht geschützt, doch dürfen im öffentlichen Raum sowie in nicht geschützten Naturgebieten nur ortsübliche Mengen gesammelt werden. Das heisst in der Regel, es ist gestattet, ein Handstrauss voll Bärlauch einzig für den Eigengebrauch zu pflücken. Dabei ist zu beachten, dass je Pflanze nur ein oder zwei Blätter entfernt werden dürfen, um ihren Weiterbestand zu sichern, und sie nach der Blüte ihre Aromen verliert. Die Vegetationszone ist behutsam zu begehen, um keine Pflanzen zu zertreten. Das Ausgraben von Bärlauchknollen hingegen ist verboten.
 

Gattung: Lauch (Allium)

Art: Echter Bärlauch
Lateinischer Name: Allium ursinum L., auch Allii ursini herba, Herba allii ursini

Pflanzenfamilie: Amaryllisgewächse (Amaryllidaceae)

Unterfamilie: Lauchgewächse (Allioideae)

Tribus: Allieae
Anzahl bekannter Arten: 950 Arten in der Gattung Lauch (Allium), aber der Echte Bärlauch bzw. Allium ursinum ist botanisch gesehen nur eine Art

Habitus: ausdauerndes, mehrjähriges und vorsommergrünes Kraut I kann je nach Standort und Bedingungen fünf bis zehn Jahre oder länger überdauern I Geophyt, d. h. hält sich in der für ihn ungünstigen Jahreszeit mit Organen bzw. «Überwinterungsknospen» wie Zwiebeln, Knollen oder Rhizome unter der Erdoberfläche am Leben I treibt im Frühling aus einer schlanken Zwiebel aus I verbreiten sich durch Tochterzwiebeln und Samen I der aufrechte Stängel kann zwei- oder dreikantig sein, ist jedoch mehrheitlich dreikantig I langstielige, elliptische bis lanzenförmige, zwei bis fünf Zentimeter breite Laubblätter mit glänzender Oberseite und matter Unterseite sowie markanter Mittelrippe I bildet Dolden mit weissen Blütenrispen I sternförmige Blüten I verströmt einen intensiven, knoblauchartigen Geruch I wird zwischen 20 und 50 Zentimeter hoch I bildet nach der Blüte dreiteilige Kapseln mit kleinen, fleischigen Samen I kommt häufig, aber keineswegs überall vor, in etwa 50 Prozent der Felder I Vorsicht: sieht den giftigen Maiglöckchen und noch giftigeren Herbstzeitlosen zum Verwechseln ähnlich! I Achtung in der Schwangerschaft: Im frischen Kraut ist eine uteruswirksame Substanz enthalten, die schon zu Aborten geführt haben soll
Alter: in ungestörten, alten Wäldern existieren Bärlauchbestände, die bereits seit Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten bestehen, auch wenn die einzelnen Pflanzen nicht so alt werden I diese sogenannten Populationen können über unzählige Generationen gewachsen sein

Hauptblütezeit: April bis Mai

Erntezeit: vor der Blüte, März bis April

Standort: wächst bevorzugt in schattigen, feuchten Laub- und Gebirgswäldern sowie Auen, daher oft in der Nähe von Gewässer zu finden I liebt humusreiche, feuchte und nasse, nährstoffreiche Böden und Wiesen I auch unter Gebüschen lebt er gerne
Besonderheit: Kaltkeimer, das heisst die Samen müssen eine Frostperiode durchleben, damit sie keimen können I sehr dominante Pflanze, immer herrschend und in grossen Herden vorkommend

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